Psychiatrische Versorgung in der Akutsomatik:
Grosses Verbesserungspotenzial

Die Verbindung zwischen Akutsomatik und Psychiatrie ist häufig mangelhaft. Mindestens ein Drittel der Spitalpatient:innen leidet zusätzlich an einer psychischen Störung; doch nur ein kleiner Teil davon wird erkannt und behandelt. Mit schwerwiegenden Folgen: Menschen, die zusätzlich eine psychische Störung haben, bleiben viel länger im Akutspital als Menschen ohne psychische Komorbidität. Und es gibt mehr Wiedereintritte. Beides führt zu höheren Kosten und belastet die Akutspitäler.

Der Vorstand des Gesundheitsnetzes 2025 beschloss letztes Jahr, vermehrt der Frage nachzugehen, weshalb gewisse Vernetzungen nur mangelhaft funktionieren. In der Meinung, dass eine solide Problembeschreibung eine wichtige Grundlage ist, um gezielt und effizient nach Verbesserungen zu suchen. Deshalb haben wir den Psychiater Prof. Urs Hepp beauftragt, den Bericht «Situation der konsiliar- und liaisonpsychiatrischen Versorgung in der Akutsomatik im Raum Zürich» zu erarbeiten (unter Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie versteht man die Arbeit eines Psychiaters im somatischen Spital oder in anderen Institutionen der Gesundheitsversorgung).

Die wichtigsten Befunde:

  • Patient:innen mit psychischer Komorbidität liegen rund doppelt so lange in Zürcher Spitälern wie Patient:innen ohne psychiatrische Zusatzdiagnosen.
  • In vielen Spitälern werden konsiliarpsychiatrische Leistungen aus Kostengründen nur sehr restriktiv in Anspruch genommen, was besonders für die Pflegefachleute eine Belastung darstellt.
  • Die mangelnde oder fehlende konsiliar- und liaisonpsychiatrische Versorgung führt zu Fehleinweisungen in psychiatrische Kliniken.
  • Spitäler mit ungenügender konsiliar- und liaisonpsychiatrischer Versorgung verlegen Patient:innen teilweise per Fürsorgerische Unterbringung (FU) zur weiteren Abklärung in psychiatrische Kliniken, was ein Missbrauch dieser ultimativen Massnahme darstellt. Der Kanton Zürich hat die zweithöchste FU-Rate in der Schweiz.
  • Aufgrund der traditionell starken örtlichen und organisatorischen Trennung der somatischen Medizin und der Psychiatrie im Kanton Zürich sind Patient:innen mit somato-psychischer Komorbidität oft in beiden Settings ungenügend versorgt. Hier besteht eindeutig eine Versorgungslücke.
  • Die stationäre Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie ist unterfinanziert, was zur Folge hat, dass die Leistungen oft nicht oder zu spät in Anspruch genommen werden.

Fazit: Menschen mit somato-psychischer Komorbidität sind in der Akutsomatik mit wenigen Ausnahmen psychiatrisch unterversorgt. Sodann nennt der Bericht zahlreiche Empfehlungen, um die Behandlung der betroffenen Menschen zu verbessern.

Hier sind alle relevanten Dokumente zu dieser Initiative des Gesundheitsnetzes 2025:

Präsentation und Diskussion des Berichts

Im Anschluss an unsere Mitgliederversammlung  am 11. Mai präsentierte Urs Hepp den Bericht «Situation der konsiliar- und liaisonpsychiatrischen Versorgung in der Akutsomatik im Raum Zürich». Danach diskutierten Fachleute aus verschiedenen Bereichen die Befunde und Empfehlungen:

  • Ruedi Schweizer, Ärztlicher Leiter Zentrum für psychische Gesundheit, Spital Zollikerberg
  • Ursina Degonda, Teamcoach Psychosoziale Pflege und Betreuung, Spitex Zürich
  • Renate Monego, Direktorin Gesundheitszentren für das Alter Stadt Zürich
  • Luca Emmanuele, Leiter Einkaufsmanagement Leistungen, CSS
  • Urs Hepp

Hier finden Sie eine Zusammenfassung der Diskussion.

Der Bericht wurde mitfinanziert von der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich, der CSS Krankenversicherung, der SWICA Krankenversicherung und dem Verband Zürcher Krankenhäuser VZK.

Die vorliegende Analyse umfasst ausschliesslich die Akutsomatik. Es ist davon auszugehen, dass die Situation in der stationären Langzeitpflege ebenfalls unbefriedigend ist. Das Gesundheitsnetz 2025 hat diesen Bereich auch auf dem Radar.